Autofahren ist auch für viele ältere Menschen ein Ausdruck von Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Mit dem Fortschreiten einer Demenz-Erkrankung oder der Zunahme anderer altersbedingter Veränderungen lässt allerdings die Fahrtauglichkeit nach. Um nicht zu einer Gefährdung für sich und andere Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer zu werden, muss das Auto dann stehen gelassen werden. Über die möglichen Folgen einer Demenz-Erkrankung auf die Fahrtauglichkeit und über die Erkrankung an sich klärte eine gut besuchte Informationsveranstaltung beim Senioren-Nachmittag in Biblis auf. Diese fand im Rahmen des „Demenzquartals Bergstraße“ statt, das der Kreis Bergstraße in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kooperationspartnern organisiert.
„Prävention ist nicht nur beim Thema Gesundheit, sondern auch beim Straßenverkehr sehr wichtig. Denn hier hat man nicht nur eine Verantwortung für sich selbst, sondern auch für die anderen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Deshalb möchten wir als Kreis gemeinsam mit unseren Referenten Betroffenen und ihren Angehörigen Orientierung bieten, worauf sie achten müssen und welche Maßnahmen sie ergreifen müssen“, sagte der hauptamtliche Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf, der bei dem Termin Landrat Christian Engelhardt vertrat.
In der Regel bedeutet die Diagnose Demenz nicht, dass der oder die Betroffene das Auto sofort stehen lassen muss. Doch mit dem Fortschreiten der Krankheit nimmt die Fahrtauglichkeit immer weiter ab. Wie schnell das geht, kann unter anderem von der Form der Demenz abhängen. Ab wann ist der Zeitpunkt erreicht, an dem man nicht mehr fahren sollte? „Eine pauschale Antwort darauf, wann man mit Demenz nicht mehr fahren kann, gibt es nicht“, betonte Polizeihauptkommissar Ralf Drexelius von der Verkehrsprävention des Polizeipräsidiums Südhessen. Dazu sei der Verlauf der Krankheit individuell zu verschieden. Drexelius nannte aber Merkmale, die auf eine Fahruntauglichkeit hinweisen:
– sehr schnelles oder sehr langsames Fahren
– wiederholtes Übersehen von Verkehrszeichen
– Missachten von Verkehrsregeln
– falsches Betätigen der Pedale
– Verfahren auf bekannten Strecken
– unsicheres Fahren auf unbekannten Strecken
– Unsicherheit beim Rückwärtsfahren
– vermehrt in Situationen zu geraten, die zu Unfällen führen können
Wer diese Merkmale bei sich selbst oder bei einem Angehörigen erkennt, sollte möglichst bald die Fahrtauglichkeit der entsprechenden Person prüfen lassen. Hierzu ist ein Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin der betroffenen Person ratsam. Die Prüfung der Fahrtauglichkeit ist auch beim TÜV oder beim ADAC möglich. Angehörige und rechtliche Betreuerinnen und Betreuer haben hierbei eine Fürsorgepflicht. Häufig müssen sie die Entscheidung über einen Verzicht auf das Autofahren treffen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Auch die behandelnden Ärztinnen oder Ärzte müssen den Patienten bei der Diagnose Demenz darüber informieren, dass bei einem Fortschreiten der Krankheit eine Fahruntauglichkeit vorliegen wird. Sie unterliegen dabei allerdings der Schweigepflicht und können Angehörige nur informieren, wenn sie vom Patienten von dieser entbunden werden.
Doch es gibt eine Ausnahme: Schaffen es Angehörige, rechtliche Betreuer oder Betreuerinnen oder die behandelnden Ärzte nicht, die betroffene Person trotz schwerwiegender Bedenken davon zu überzeugen, das Auto stehen zu lassen, kann die Ärztin oder der Arzt die Schweigepflicht brechen und die Straßenverkehrsbehörde informieren. Voraussetzung ist, dass eine Güterabwägung stattgefunden hat, ob durch die Teilnahme des Patienten am Straßenverkehr höhere Rechtsgüter – etwa die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer und -teilnehmerinnen – gefährdet sind. Die Straßenverkehrsbehörde kann bei einem entsprechenden Hinweis dann eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) anordnen. An deren Ende kann die Feststellung der Fahruntauglichkeit, die mit Abgabe des Führerscheins verbunden ist, stehen.
„Grundsätzlich sollte sich jeder Autofahrer unabhängig von einer Demenz vor Fahrtantritt die Frage stellen, ob er momentan in der richtigen Verfassung ist, um sicher am Straßenverkehr teilzunehmen. Wenn man diese Frage nicht zu 100 Prozent mit Ja beantworten kann, sollte man aus Verantwortung für sich, seine Mitfahrer und andere Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrt verzichten und nach Alternativen suchen“, sagt Drexelius. Weiterhin empfiehlt der Polizeihauptkommissar Tests der Seh- und Reaktionsfähigkeit oder Sicherheitstrainings als gute Mechanismen zur Selbstüberprüfung.
Über die Krankheit Demenz im Generellen informierte Christina Arnold von der Fachstelle „Leben im Alter“ des Kreises Bergstraße. Sie verdeutlichte, dass es wichtig sei, eine ärztliche Diagnose einzuholen, auch wenn die Erkrankung selbst nicht heilbar sei. Mit der Gewissheit, dass es sich um Demenz handelt, könne Vorsorge getroffen und Beratung eingeholt werden. Zudem entfalten Medikamente die größtmögliche Wirkung, wenn sie frühzeitig eingesetzt werden. Symptome, bei denen man zum Arzt gehen sollte, sind unter anderem:
– häufiges Wiederholen derselben Frage oder Geschichten
– Probleme, sich zu orientieren, vor allem in fremder Umgebung
– Schwierigkeiten bei alltäglichen Verrichtungen wie Telefonieren oder Tisch decken
– Verlegen von Gegenständen an ungewöhnliche Orte wie etwa der Fernbedienung in den Kühlschrank
– Verkehrtes Anziehen der Kleidung
– Zunehmend ausweichendes Antworten auf Fragen oder Abwiegeln bei Nicht-Wissen
Dabei stellte Arnold klar, dass es bei Demenz zwar keine Heilung, aber Therapiemöglichkeiten gebe. Durch diese können etwa Stimmung oder Orientierung der Patienten verbessert werden, Unruhe vermindert oder Alltagsfähigkeit und Selbstständigkeit länger erhalten werden.
Das „Demenzquartal Bergstraße“ wird am 27.03. mit einer Abschlussveranstaltung von elf bis 13 Uhr im Kronepark in Bensheim-Auerbach beendet. Auch hier wird es noch einmal einen Vortrag zum Thema „Demenz und Straßenverkehr“ geben.
Quelle: Kreis Bergstraße