Gestern war der 1. Juli – der Tag gegen antimuslimischen Rassismus. An diesem Tag wurde Marwa El-Sherbini im Jahr 2009 im Landgericht Dresden auf grausame Weise ermordet. Sie wollte sich gegen einen rassistischen Angriff auf einem Spielplatz rechtlich zur Wehr setzen. Das Recht, das alle Menschen schützen sollte, konnte sie nicht bewahren. Seitdem werden jährlich um den 1. Juli herum Aktionswochen gegen antimuslimischen Rassismus veranstaltet, um auf diese Form von Rassismus aufmerksam zu machen. Die Fachstelle gegen Rechtsextremismus und Rassismus des Kreises Groß-Gerau unterstützt die Kampagne der Allianz gegen Hass: Hinschauen & Handeln: Antimuslimischer Rassismus ist real, gefährlich und kann tödlich sein!
Mit Entsetzen, aber nicht mit Verwunderung, sehen wir die 1.926 antimuslimischen Vorfälle, die im zivilgesellschaftlichen Lagebild für das Jahr 2023 dokumentiert wurden. Das Lagebild wurde am 24. Juni 2024 von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit – veröffentlicht.
Die Angriffe auf Muslime und muslimisch gelesene Menschen sind im Vergleich zum Vorjahr um rund 114 % gestiegen. Darunter sind etwa 90 Angriffe auf religiöse Einrichtungen wie Moscheen, Friedhöfe und andere muslimisch markierte Orte. Besonders deutlich wird: Antimuslimischer Rassismus kommt nicht nur von rechtsextremen Personen und Organisationen, sondern ist in der gesamten Gesellschaft verankert und zieht sich durch alle Lebensbereiche. CLAIM schreibt dazu:
„Antimuslimischer Rassismus zieht sich durch alle Lebensbereiche, sei es bei der Wohnungssuche, beim Arztbesuch oder in der Schule. Besonders nach dem terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 sind antimuslimische Vorfälle sprunghaft angestiegen. Auch Kinder werden verbal und körperlich angegriffen. Ein großer Teil der dokumentierten Vorfälle trifft vor allem muslimische Frauen und findet im Bildungsbereich sowie im öffentlichen Raum statt. Insgesamt ist von einer gravierenden Dunkelziffer antimuslimischer Vorfälle auszugehen.“
Nach der Veröffentlichung des Lageberichts gab es zahlreiche Reaktionen, die Muslime für die Vorfälle verantwortlich machten und ihnen die Schuld gaben. Diese Dämonisierung und die Verweigerung von Mitgefühl und Anerkennung ihrer Rassismuserfahrungen sind selbst Ausdruck von antimuslimischem Rassismus und ein Angriff auf die Menschenwürde. Besonders der Staat kommt seiner Schutzaufgabe nicht ausreichend nach.
„Der massive Anstieg antimuslimischer Übergriffe und Diskriminierungen im Jahr 2023 ist mehr als besorgniserregend. Gleichzeitig wird diese Bedrohungslage bisher kaum wahrgenommen. Für Muslim*innen und Menschen, die als solche gelesen werden, sind die Straße, der Bus oder die Moschee längst keine sicheren Orte mehr. Antimuslimischer Rassismus war noch nie so salonfähig wie heute und er kommt aus der Mitte der Gesellschaft. Die Folgen für Betroffene sind oft gravierend und viele Menschen haben das Gefühl, sie sind der Solidarität nicht würdig,“ sagt Rima Hanano, Leitung von CLAIM. „Dieser Rassismus verbirgt sich häufig hinter Scheindebatten und wird so weitergetragen, normalisiert und reproduziert. Diskurse im politischen und medialen Raum zu Migration, Integration oder Sicherheit mit rassistischer Schlagseite schaffen ein Klima, das antimuslimischen Hass, Diskriminierungen und Gewalt schürt und legitimiert.“
Die Fachstelle gegen Rechtsextremismus und Rassismus des Kreises Groß-Gerau schließt sich den Forderungen der CLAIM Allianz an. Gefordert wird unter anderem:
1. Die Gewährleistung des Schutzes rassistisch markierter Menschen – so auch Muslim*innen – im gesamten öffentlichen Raum durch den Staat.
2. Der Ausbau und eine dauerhafte Finanzierung der Beratungs- und Unterstützungsstrukturen sowie der Ausbau bundesweiter Monitoring-Strukturen für antimuslimischen Rassismus – offline und online.
3. Eine konsequente Erfassung und Ahndung antimuslimischer Straftaten durch Strafverfolgungsbehörden sowie eine Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.
4. Die Anerkennung von antimuslimischem Rassismus und die Etablierung einer einheitlichen Arbeitsdefinition zu antimuslimischem Rassismus als Basis für behördliches Handeln.
Auch im Landkreis Groß-Gerau werden Angriffe auf Muslime und muslimisch gelesene Menschen registriert. Vor etwa vier Wochen ereignete sich ein rassistischer Angriff auf eine muslimische Mitarbeiterin der Margit-Horváth-Stiftung in Mörfelden-Walldorf. Erschütternd war, dass zahlreiche Menschen anwesend waren, aber nicht eingriffen. Es ist wichtig, sich mit der betroffenen Person zu solidarisieren und ihr zu zeigen, dass sie nicht allein ist und geschützt wird. Es genügt, sich an die Seite der Person zu stellen und Stopp zu rufen oder eine schützende Position einzunehmen. Ohne Intervention fühlt sich die angreifende Person mächtig und bestätigt.
Hier einige Links zum Weiterlesen und Informieren:
– Hinweise für Betroffene: [Link]
– Handlungsmöglichkeiten für Beobachter*innen: [Link]
– Informationen zur Kampagne Hinschauen & Handeln: [Link]
– Glossar für menschenfreundliche Sprache: [Link]
– E-Learning-Kurs zum Thema Antimuslimischer Rassismus: [Link]
– Pressemitteilung und Lagebericht der CLAIM Allianz: [Link]
Die Fachstelle gegen Rechtsextremismus und Rassismus des Kreises Groß-Gerau solidarisiert sich uneingeschränkt mit Betroffenen rechter und rassistischer Gewalt. Wir bieten Beratung und Unterstützung an und unterstützen auch Vereine, Initiativen und Organisationen bei ihren Vorhaben.
Sind Sie betroffen von antimuslimischem Rassismus? Haben Sie Anfragen für einen Workshop oder eine Veranstaltung? Möchten Sie mehr über die Angebote der Fachstelle erfahren? Besuchen Sie unsere Webseite [www.NoRa-GG.de]
oder kontaktieren Sie uns per Mail an netzwerk-demokratie@kreisgg.de. Wir freuen uns, wenn wir Ihnen helfen können.