Heute vor genau 35 Jahren, am 2. Februar 1990, ereignete sich in Rüsselsheim, Südhessen, ein verheerendes Zugunglück. Zwei vollbesetzte S-Bahnen stießen während des Feierabendverkehrs frontal zusammen. Dabei verloren 17 Menschen ihr Leben, mehr als 140 weitere wurden verletzt.
An jenem Freitagnachmittag war die S-Bahn der Linie 14 von Mainz nach Frankfurt unterwegs, während eine weitere Bahn mit rund 500 Fahrgästen in Richtung Wiesbaden fuhr. Aufgrund eines auf dem Hauptgleis stehenden Zuges musste letztere auf das Überholgleis ausweichen.
Beim Verlassen des Bahnhofs Rüsselsheim beschleunigte der 24-jährige Lokführer der Linie 14 und übersah dabei ein rotes Haltesignal. Zwar wurde eine Notbremsung eingeleitet, doch bei einer Geschwindigkeit von 86 km/h konnte der Zusammenstoß um 16:42 Uhr nicht mehr verhindert werden. Die Kollision war so heftig, dass eines der tonnenschweren Wagensegmente beinahe senkrecht in die Luft geschleudert wurde, bevor es auf einen nahegelegenen Parkplatz stürzte und mehrere unbesetzte Fahrzeuge zerdrückte.
Die ersten Helfer am Unglücksort waren US-Soldaten aus der benachbarten Azbill-Kaserne. Sie eilten herbei, nachdem sie die Schreie der Verletzten gehört hatten. Die Szene war chaotisch: geschockte Fahrgäste taumelten über die Gleise, während andere reglos am Boden lagen. Noch vor dem Eintreffen der offiziellen Rettungskräfte begannen die Soldaten, erste Verletzte aus den zerstörten Waggons zu befreien.
Insgesamt waren rund 800 Rettungskräfte im Einsatz, darunter Feuerwehrleute, Polizisten, Helfer des Roten Kreuzes, THW-Angehörige und US-Soldaten. Sie arbeiteten sich durch die Trümmer, schnitten verkeilte Waggonteile auseinander und versorgten die Opfer. Die Szenen waren verstörend: Um Eingeklemmte zu befreien, mussten in einigen Fällen Gliedmaßen noch vor Ort amputiert werden.
Die „Tagesschau“ berichtete um 20 Uhr über das Unglück, zunächst mit Angaben zu 13 Toten und 70 Verletzten. Doch die Zahl der Opfer stieg weiter. Eine Woche später fand eine Trauerfeier mit rund 400 Teilnehmern statt. Kurz zuvor verstarb eine schwer verletzte 50-jährige Frau im Krankenhaus, womit die Gesamtzahl der Todesopfer auf 17 anstieg. Insgesamt erlitten 145 Menschen Verletzungen.
Ein Jahr nach dem Unglück musste sich der Lokführer der Linie 14 wegen fahrlässiger Tötung, Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr vor dem Landgericht Darmstadt verantworten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er das rote Haltesignal übersehen hatte. Der Richter stellte jedoch fest, dass der Lokführer unter erheblichem Zeitdruck stand und allein die Verantwortung für den Zug trug. Trotz dieser Umstände betonte das Gericht seine besondere Pflicht zur Aufmerksamkeit. Andere Verantwortliche wurden nicht belangt, wenngleich es als sinnvoll erachtet wurde, den Lokführer über die außerplanmäßig kreuzende S-Bahn zu informieren. Auch ein zweiter Bremsmagnet hätte das Unglück womöglich in dieser Tragweite verhindert.
Das Urteil lautete auf eine Geldstrafe von 2500 DM sowie eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten.
Nach dem Unglück setzte die Bahn ein Sicherheitsprogramm zur Verbesserung der Zugleittechnik um. Ein Gedenkstein am Rüsselsheimer Bahnhof erinnert bis heute an die Tragödie.